Nervosität und Illumination. Ernst Ludwig Kirchners Straßenbilder der 1920er Jahre

Die erotisch aufgeladenen Berliner Straßenszenen, die Ernst Ludwig Kirchner zwischen 1913 und 1915 geschaffen hat, gelten als der Höhepunkt seines expressionistischen Werkes. In den 1920er Jahren beschäftigt er sich in bis heute wenig beachteten Werkserien erneut mit der Dynamik und Verführungskraft des urbanen Lebens. Kirchner interessiert sich für Licht- und Schattenphänomenen und gerade seine Aufenthalte in Frankfurt, Dresden und Berlin im Winter 1925/26 zeitigen eine Serie von Straßenszenen, in denen die durch künstliches Licht und Leuchtreklamen illuminierte Stadt in den Fokus rückt.

Kirchner spiegelt in seinen Großstadtbildern den zeitgenössischen Licht- und Elektrizitätskult, der Berlin in den 1920er Jahren die Bezeichnung „Elektropolis“ einträgt. Seine späten Straßenszenen zeigen die Gleichzeitigkeit verschiedenster Geschehnisse als ein Neben- und Übereinander in der Fläche und sind durch linear-konstruierte Bildgestaltungen und farbige Schatten gekennzeichnet, welche die Passanten mit einer Aura versehen. In Kirchners Straßenbildern spazieren die Passanten nicht, sondern sie eilen und hasten. Die Eilenden in der hell erleuchteten Großstadtnacht erscheinen als geschäftige Schattenfiguren des Flaneurs, der einst die Langsamkeit als symbolisches Kapital demonstrativ zur Schau stellte.

„Eile nie und haste nie/dann haste nie/Neurasthenie“ notiert Walter Benjamin 1932 in seinen Erinnerungen an seine Kindheit in Berlin.

Ernst Ludwig Kirchner gehört zu den herausragenden Chronisten dieses Zeitalters der Nervosität.

Referent: Dr. Thorsten Sadowsky, Leitender Direktor Landesmuseen Schloss Gottorf

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Uhrzeit IconDi, 27.02.2024 | 19:00 - 20:30 Uhr
  • Leitender Direktor Landesmuseen Schloss Gottorf : Dr. Thorsten Sadowsky
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Dr. Richard Nägler
Herr Dr. Richard Nägler
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24105 Kiel
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